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Goldrush und Gewalt um den Raupenkeulenpilz (12/01/2015)

Yartsa Gunbu (Cordyceps sinensis) ist das «Gold des Himalayas», die Suche nach dem Raupenkeulenpilz gleicht einem Goldrausch. Jedes Jahr pilgern Tausende ins entlegene Dolpo auf der Suche nach dem wertvollen, kräftigenden und aphrodisierenden Raupenkeulenpilz.

Die abgelegenen Täler werden zu Zeltstädten und ziehen grosse Menschenmassen an. Viele Pflücker hinterlassen rund um die Schule ihre Spuren, vor allem ihren Abfall. Der Eco Club der Tapriza Schule hat begonnen, Abfallgruben zu graben und Aufklärungsarbeit bezüglich Naturschutz und Abfallentsorgung zu leisten. Dennoch bleibt der Abfall ein Problem.

Kinder sind besonders begabt bei der Suche nach Yartsa Gunbu, da ihre Augen scharf sind und sie sich näher am Boden bewegen. Die Erträge durch den Pilz sind für die Familien, die sonst von Subsistenzwirtschaft leben, eine einmalige Chance, ihr Einkommen zu verbessern. Deshalb mussten wir den Eltern entgegenkommen und haben Yartsa Gunbu Ferien für die Schüler der 5.-10. Klasse eingeführt. Anzutreffen sind auf den Hochweiden auch viele ehemalige Schüler und Schülerinnen, die sich so ihr Studium finanzieren.

Ein Nebeneffekt des «Goldrausches» ist, dass überall Verpflegungszelte aus dem Boden schiessen. Diese dienen als Läden, Restaurants und vor allem als Bars. Alkohol fliesst in dieser Zeit in Strömen. Die Zelte im näheren Umkreis der Schule sorgen schon seit längerem für Probleme. So wurde letztes Jahr für einmal entschieden, kein grosses Schulfest mit Tanz und Theater zu organisieren, um Eskalationen aus dem Wege zu gehen. Denn, wenn die Tapriza Schule zum Fest lädt, dann reisen die Eltern und Dorfbewohner von Nah und Fern für diesen unterhaltsamen Anlass an. Die Zeltbesitzer freuen sich über gute Geschäfte mit den Besuchern der Schule. Alkohol und Glücksspiele sind an der Tagesordnung, so dass ein Teil der Zuschauer bereits alkoholisiert auf dem Schulareal erscheint.

Eine weitere Folge des «Pflückfiebers» ist die wachsende Kriminalität. Bis vor Kurzem waren Gewalttaten in dieser Region relativ selten. In der Yartsa Gunbu Saison ist es aber unmöglich, die Sicherheitslage zu kontrollieren. Diebstähle und Raubüberfälle treten vermehrt auf und die Konflikte zwischen der Lokalbevölkerung und den angereisten Pflückern werden immer intensiver. Dabei geht es darum, wer in welchen Gebieten pflücken darf.

Im letzten Frühsommer erreichte die Gewalt in Dolpo einen traurigen Höhepunkt, als die Situation im benachbarten Tal in Do-Tarap eskalierte. Vertreter der Lokalbevölkerung verlangten von der Distriktregierung den Schutz der Hochweiden vor dem Ansturm der Pflücker, da sie diese als Weide für ihr Vieh benötigen. Zudem bestanden sie darauf, dass das lokale Kommittee eine Steuer von den Pflückenden eintreiben darf, um damit die nötigsten Infrastrukturverbesserungen umsetzen zu können. Dies wurde aber von der Komission der Pufferzone des Shey Phoksumdo Nationalparks verboten. Als die Distriktregierung und Vertreter der Pufferzone, welche durch die Vergabe der Pflückbewilligungen viel Geld verdienen (und dieses nicht in die Infrastruktur und Sicherheit reinvestieren), nicht darauf eingingen, versammelte sich eine protestierende Menge. Die Situation wurde gewalttätig, als die eingeflogene Polizei mit Stöcken auf die Anwesenden einprügelte. Die Protestierenden begannen mit Steinen zurückzuwerfen, worauf die Polizei mit Gummigeschoss in die Menge schoss. Sie führte danach Hausdurchsuchungen durch und prügelte wahllos auf die Bewohner ein. Zwei Personen starben und rund vierzig weitere wurden verletzt. Die Polizei versuchte den Vorfall zu vertuschen, indem sie die Todesursachen als natürlich angaben und eine Autopsie verhinderte. Die Lokalbevölkerung fühlt sich in den Entscheidungsprozessen und dem Profitanteil des Yartsa Gunbu Geschäfts übergangen, muss aber als einzige mit den Umweltschäden leben, die die Pflückerei verursacht. Ein Lichtblick ist hingegen, dass ehemalige Schüler der Schule in Do-Tarap über Mobiltelefone Bilder und Geschehnisse direkt auf Facebook platzierten und so die Aufmerksamkeit der Medien und nach längerem Kampf auch die der Menschenrechtskommission erlangen konnten. Dies ermöglichte ihnen erstmals, auch ihre Version der Geschichte zu vermitteln. Die Verhandlungen sind weiterhin im Gange.

Im Februar erscheinen zum braunen Goldrausch in Dolpo und zur Pilgerreise nach Shey zwei Artikel von unserer Vereinspräsidentin Marietta Kind im Heft des Schweizer Alpenclubs Die Alpen.



marietta kind